Der Weg der Kinderrechte ins Grundgesetz ist eingeschlagen, bis zum Ziel aber gibt es viele Baustellen. Der Vorschlag der Regierung ist für das Aktionsbündnis Kinderrechte und Oppositionsparteien unzureichend.

Die Verhandlungen über die Kinderrechte als Teil des Grundgesetzes ziehen sich schon seit einiger Zeit hin. Der vor gut einem Jahr von Bundesjustizministerin Christine Lamprecht (SPD) vorgelegte Entwurf hatte vor Weihnachten nach einigen Änderungen auch die Zustimmung von CDU, CSU und SPD in einer Arbeitsgruppe zum Thema erhalten. “Mit der jetzt erzielten Einigung beenden wir eine jahrzehntelange Debatte über Kinderrechte im Grundgesetz”, sagte der Vizevorsitzender der Unionsfraktion Thorsten Frei (CDU) dem ARD-Hauptstadtstudio. Der Kompromiss mache Kinderrechte im Grundgesetz sichtbar und verankere das Kindeswohl im Grundgesetz. Dennoch würden die Rechte der Eltern nicht geschmälert. Frei legt Wert auf ein gut austariertes Dreiecksverhältnis von Kindern, Eltern und Staat, sprach sich zugleich gegen zu viele staatliche Eingriffe aus. Die Erstverantwortung für die Erziehung sei und bleibe bei den Eltern.

Aktionsbündnis fordert Beteiligung

Umstritten in den Debatten um die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz war vor allem der Passus, ob das Wohl des Kindes „vorrangig“ oder „angemessen“ berücksichtigt werden solle. Das Aktionsbündnis Kinderrechte, dem das Deutsche Kinderhilfswerk, der Kinderschutzbund, UNICEF Deutschland und die Deutsche Liga für das Kind angehören, nannte den Entwurf in einer Stellungnahme unzureichend. Dies betreffe sowohl die Formulierungen zum Kindeswohl als auch zum Recht des Kindes auf Beteiligung. Da bleibe der Gesetzesentwurf deutlich hinter der UN-Kinderrechtskonvention und auch hinter der geltenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurück. Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes, lehnt den Entwurf ab. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er: “Das ist eine Staatszielbestimmung, wir wollen echte Kinderrechte.” Er bemängelte vor allem das Fehlen der Beteiligungsrechte.

Das sehen Juristen ähnlich. Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert, dass die Formulierungen hinter den Vorgaben der Vereinten Nationen zurückblieben. Der Vorsitzenden des Ausschusses Verfassungsrecht, Rechtsanwalt Professor Dr. Thomas Mayen, sprach von „jeder Menge neuer Unklarheiten“ und nannte den Hinweis auf die “Erstverantwortung der Eltern” überflüssig: Dies gehe aus dem geltenden Artikel 6 des Grundgesetzes hervor, in dem es heißt: “Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.”

Der Opposition ist das nicht genug

Politische Rückendeckung bekommt das Aktionsbündnis von den Grünen im Bundestag. Die Zustimmung der Fraktion und einer weiteren ist erforderlich, denn für Änderungen des Grundgesetzes braucht es eine Zweidrittel-Mehrheit. Ekin Deligöz, Sprecherin der Grünen für Kinder- und Familienpolitik, sprach in einer Stellungnahme von einem “faulen Kompromiss, der keinerlei Fortschritt für die Kinderrechte in Deutschland bedeutet. Die jetzige Formulierung, wonach Kinderrechte im Grundgesetz ‘angemessen’ zu berücksichtigen seien, fällt nicht nur hinter die UN-Kinderrechtskonvention und die bereits geltende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurück, sondern ist noch einmal schwächer als der erste Entwurf von Justizministerin Christine Lambrecht vom November 2019.” Ähnlich sieht Norbert Müller, kinder- und jugendpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke. Er nannte es “nicht hinnehmbar”, dass die Vereinbarung hinter die UN-Kinderrechtskonvention zurückfalle. “Das darf nicht das Ergebnis eines gesellschaftlichen Diskurses aus drei Jahrzehnten sein”, sagte Müller.

Eine Kritik, die auch Ludwig Salgo teilt. Dem Deutschlandfunk sagte der Professor der Rechts- und Erziehungswissenschaft an der Frankfurter Goethe-Universität, “was uns vorgelegt wurde, ist enttäuschend schwach”. Er hätte sich anstelle einer “angemessenen” eine “vorrangige” Berücksichtigung des Kindeswohls im Gesetzestext gewünscht. Ungeachtet davon, ob in den Debatten über den Entwurf im Bundestag noch Änderungen erzielt werden, hofft Salgo, dass die Verankerung der Kinderrechte zu einem Umdenken in den Behörden, in der Justiz und auch in den Jugendämtern führe. Gerade dort falle es vielen schwer, Kinder an Entscheidungen zu beteiligen, selbst wenn das Gesetz es vorsehe. Sollte zudem das Recht der Kinder auf Beteiligung über den gegenwärtigen Entwurf hinaus noch in der Verfassung zum Ausdruck kommen, müssten Richter oder Behördenmitarbeiter dies ernst nehmen.

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kakü