Schon das Titelbild des Kitaberichtes 2022 spricht eine deutliche Sprache: Der Teddybär mit dem Schal vorm Maul steht für den Paritätischen Wohlfahrtsverband für ein kränkelndes System.

Von „alarmierenden Befunden“ spricht der Paritätische Wohlfahrtsverband in seinem Kitabericht 2022.  Fehlendes Personal und Mängel in der Ausstattung sind nach der Studie in einer Vielzahl von Einrichtungen anzutreffen. Der Gesamtelternbeirat von Frankfurts städtischen Kitas sortiert die Studie mit Zurückhaltung ein, sieht aber auch im Fachkräftemangel eines der größten Probleme.

Für den zum zweiten Mal aufgelegten Report hatte der Paritätische Beschäftigte von mehr als 1100 Betreuungseinrichtungen befragen lassen und wollte damit „detaillierte Einblicke zum Stand der Qualitätsentwicklung und der praktischen Umsetzung des so genannten Gute-Kita-Gesetzes“ gewinnen. „Die Befunde des Kita-Berichts sind erschütternd”, kommentierte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, den Report.

Erstmals nahm die Studie auch den Zusammenhang von Zustand und Lage der Kita unter die Lupe. Das Ergebnis untermauerte die Vermutungen. Unabhängig von der Pandemie fehlt es insbesondere für Kitas in benachteiligten Sozialräumen an gezielter Unterstützung.

Laut Report gibt es „bundesweit … in fast allen Kindertageseinrichtungen einen nennenswerten Anteil von Kindern, die in der Familie vorrangig eine nichtdeutsche Sprache sprechen“. In beinahe der Hälfte der Einrichtungen betrage der Anteil der Kinder, die zuhause überwiegend nicht Deutsch sprechen, 20 Prozent oder mehr. „Die Fachkräfte vor Ort leisten Tag für Tag Enormes unter vielerorts wirklich schweren Bedingungen. Gerade dort, wo viele Kinder in Armut aufwachsen oder auf besondere Unterstützung angewiesen sind, klagen auch die Kitas über schlechtere Ausstattung. Hier braucht es dringend gezielte und bessere Unterstützung”, forderte Ulrich Schneider.

Knapp zwei Drittel der Befragten gingen davon aus, „dass sie mit dem gegenwärtigen Personalschlüssel den Bedürfnissen der Kinder nicht gerecht werden können.“ Besonders betroffen seien Kindertageseinrichtungen in benachteiligten Sozialräumen. Dort belege der Bericht auch Defizite im Bereich der Sprachförderung: „Je höher die sozialräumliche Benachteiligung, desto größer ist die Zahl der Kinder mit Unterstützungsbedarf bei der sprachlichen Bildung.“ Gleichzeitig könne dieser Bedarf mit dem gegenwärtigen Personalschlüssel überwiegend nicht gedeckt werden.

Der Paritätische macht strukturelle Defizite nicht nur bei den Personal-Schlüsseln aus, sondern auch im Bereich der Kita-Finanzierung. So seien Neu- und Ersatzanschaffungen kaum selbstverständlich. Mehr als ein Drittel der Befragten hätten zudem angegeben, dass die vorgesehenen Finanzmittel nicht ausreichten, um die Kinder mit einer ausgewogenen Ernährung zu versorgen. Schneider: „Es ist schon ein Armutszeugnis, wenn es uns in diesem reichen Land nicht gelingt, jedem Kind eine gesunde Mahlzeit, bestmögliche Förderung in der individuellen Entwicklung und eine möglichst unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen.“

Für Thomas Krohn, Vorsitzender des Gesamtelternbeirat der städtischen
Kinderzentren Frankfurts, ist ein Transfer der Ergebnisse auf die Lage in Frankfurt zu grob. „Als Gesamtelternbeirat der städtischen Kinderzentren Frankfurts richten wir den Blick konkret auf die Situation in Frankfurt und vor allem auf die städtischen Kitas.“ Seite einigen Jahren beschreite Frankfurt den
„Frankfurter Weg“ und übertreffe damit die Mindestanforderungen aus dem Landesgesetz in Teilen. „Das bedeutet nicht, dass in Frankfurt alles beim Besten wäre“, räumt Krohn ein, rät jedoch zu einem vorsichtigen Vergleich der Ergebnisse. Zudem falle ihm auf, dass vor allem Leitungskräfte in den Kitas befragt worden sei. „Bei dem einen oder anderen Aspekt könnte ich mir durchaus vorstellen, dass die Rückmeldungen von anderen Fachkräften oder gar Eltern auch anders hätten ausfallen können“, sagt Krohn.  Auch die sehr geringe Teilnahme von Mitarbeitern aus kommunalen Kitas an der Befragung mache es ihm schwer, die Ergebnisse auf die städtischen Kitas in Frankfurt zu übertragen. „Mit nur 29 Antworten aus ganz Hessen empfiehlt die Studie ja selbst Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse auf Landesebene – von der kommunalen Ebene gar nicht zu sprechen.“

In einem Punkt allerdings stimmt Krohns Bestand mit der Studie überein: „Mit Blick auf Frankfurt sehen wir das große Problem im Fachkräftemangel. Dieser hat Auswirkungen auf andere Aspekte, die in der Studie genannt werden.“ In der Praxis hat die laut Crohn zur Folge, dass Fachkräfte sich Einrichtungen recht frei aussuchen und jederzeit Arbeitsplatz und Arbeitgeber wechseln könnten. „Einrichtungen in sozial schwachen Lagen können dabei zum Beispiel auch als Arbeitsumgebung unattraktiv erscheinen und können so besonders vom Mangel an motivierten Mitarbeitern betroffen sein.“ Doch gerade in der Betreuung seien engagierte Fachkräfte wichtig, denn sie hätten „noch den direktesten Zugang zum Kind und seinen Möglichkeiten“. Zwar seien bei Aspekten wie der digitalen Bildung Verbesserungen an vielen Stellen möglich. Aus sich der Eltern jedoch würden diese Fragen in den Hintergrund treten, wenn noch nicht einmal die versprochenen Betreuungszeiten sichergestellt werden könnten. „Für diese braucht es dann aber wiederum ausreichend Personal.“

https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/doc/broschuere_kitabericht-2022.pdf