Der Krieg in der Ukraine macht Kindern zu schaffen. Viele haben Angst, dass bald auch bei uns Raketen einschlagen und Panzer rollen. Experten mahnen, die Sorgen der Kinder ernst zu nehmen
Eltern und Erzieher sollen Kinder und Jugendliche sensibel im Blick behalten sowie eng und schützend an ihrer Seite stehen. Mit diesen Worten appelliert der Vorsitzende des Kinderschutzbundes Niedersachsen, Johannes Schmidt, angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine an alle Erwachsene. „Die Gesellschaft ist erschüttert”, sagte Schmidt dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diese Erschütterung, das Entsetzen und die Ohnmacht spürten Kinder. Die Botschaft der Erwachsenen müsse daher lauten: „Wir sind da, wir halten zusammen, wir passen auf Euch auf.“
Die Programmberatung Flimmo empfiehlt Eltern, die Ängste der Kinder ernst zu nehmen. In einem Special zum „Krieg in Europa“ hat das Team um Flimmo-Sprecherin Annegret Lassner einige Grundregeln zusammengestellt. „Kinder bis Ende des Kindergartenalters bekommen meist noch nicht so viel von den aktuellen Nachrichten mit“, heißt es auf der Homepage. Dennoch seien manche Ereignisse präsent, dass die Kinder Fragen stellen. Darauf sollten Eltern unbedingt angemessen reagieren. Flimmo: „Mit einfachen Worten sollte kurz erklärt werden, was passiert ist, aber ohne Details und dramatische Zuspitzung. Die meisten Kinder dieses Alters werden sich schnell wieder ihrem Alltag widmen.“
Anders gestalte sich der Umgang mit Grundschulkindern, die kaum von belastenden Nachricht fernzuhalten seien. Sie bekämen viel mit durch Schule, Familien und auch aus den Medien. „Wichtig ist es, Fragen und Unsicherheiten ernst zu nehmen und altersgerecht zu beantworten.“ Dafür seien die Nachrichten für Erwachsene wie etwa die Tagesschau weniger geeignet.
Keine Lösung ist für Johannes Schmidt jedoch, den Krieg zu verschweigen. „Das Ganze auszusparen, würde Kinder nur noch mehr verstören.“ Er rät dringend gemäß des Alters mit den Kindern über den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine zu sprechen, denn nur so könne eine Verarbeitung in der Familie stattfinden. An die Eltern appelliert Schmidt, ihre Schutzfunktion für ihre Kinder ganz besonders sorgfältig wahrzunehmen. Er erachtet es als wichtig, einen Ausgleich zu schaffen zur krisenhaften Grundstimmung, eine lebendige und leichte „Gegenwelt“ zu schaffen. „Raus in die Natur, spielen, toben, lachen, malen, basteln – das ist kindliches Lebenselixier“, sagte der Verbandsvorsitzende dem epd.
Vom Beschwichtigen rät die Kölner Diplom-Psychologin Elisabeth Raffauf in einem Interview mit dem WDR ab: Das sei keine gute Idee, denn ihr Gefühl sage den Kindern etwas anderes. Raffauf: „Und sie kennen auch uns Eltern und wissen, wenn uns etwas beschäftigt.“ Das gemeinsam schauen von Nachrichten sei auf jeden Fall vom Alter abhängig zu machen. „Bei Kindern, die auf die weiterführende Schule gehen, ist das auf jeden Fall eine gute Idee“, sagte Raffauf. Für jüngere empfiehlt sie die Kindernachrichten im WDR oder ZDF-Logo. Dort werde alles kindergerecht erklärt und informiert.
Kein Mittel sei jedoch ein Fernsehverbot, sagte Claus-Rüdiger Haas, Ärztlicher Direktor der LWL-Fachklinik für Kinderpsychiatrie in Marl-Sinsen, dem Evangelischen Pressedienst. Verbote verunsicherten die Kinder und machten sie neugierig. Außerdem seien sie im Alltag kaum umzusetzen. Ähnlich sieht dies laut epd Heidi Igl, Oberärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie in einer Klinik in Datteln. „Ein Verbot macht vieles ja erst interessant.“ Sie empfiehlt stattdessen, die Kinder zu einer sinnvollen und dem Alter angemessenen Mediennutzung anzuhalten. Gegebenenfalls könnten die Eltern auch Alterssperren für bestimmte Sendungen oder Inhalte einrichten.
Das Team von Flimmo hat auf seiner Homepage eine ganze Reihe von Links zu Quellen gelegt, die Informationen und Hintergründe zum aktuellen Geschehen für Kinder gut und altersgemäß. Der Schweizer Sender SRF hat für seine Kanal Kinder News ein Erklärstück produziert, das sich an jung wie alt gleichermaßen richtet. In zweieinhalb Minuten dröselt das Team des schweizerischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf, worum es in der Ukraine geht. Ein Stück, das die ganze Familie erhellt. Für etwas ältere Kinder ist die neuneinhalb-Reportage der Kika-Reporterin Gesa recht aufschlussreich. Sie hat Schüler eines Gymnasiums in Oberhausen besucht, die im Austausch stehen mit einer Schule in der Ukraine.
Die Kindersuchmaschine Blinde Kuh lässt über ihre Startseite eine Themenband laufen, in dem Schlagworte stehen, die sich um den Krieg drehen. Ein Klick auf „Ein Recht auf Schutz vor Krieg“ beispielsweise führt zu Hanisauland, wo die Situation weltweit erklärt ist, oder auf die Kinderseite des WDR, wo neueinhalb-Reporterin Mona
verrät, was wir gegen Angst tun können. Auf der Seite von Flimmo gibt es zudem Anregungen für Eltern, wie sie mit Kindern über die aktuellen Ereignisse sprechen können, um ihnen Ängste zu nehmen und Verunsicherung aufzufangen.
Rat dafür können sich Kinder und Eltern holen auf der Seite „Frieden Fragen“. Dort gibt es auch einige, allerdings nicht tagesaktuelle Erklärungen zur Ukraine.
Spannender für Kinder – und Eltern – dürfte jedoch sein, die ganz persönliche Frage rund um kriegerische Konflikte an das Team von Frieden-Fragen zu stellen. Das auf jeden Fall verspricht, zu antworten.
kakü