Kriminalität im Netz nimmt weiter zu, auch der sexuelle Missbrauch online. Ein Grund ist die längere Verweildauer vor dem Handy und Co.

“Einen starken Anstieg von Online-Missbrauch” vermeldet Catherine de Bolle, Chefin der europäischen Polizeibehörde Europol, laut einem Bericht der Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch im Internet hätten im Corona-Jahr deutlich zugenommen. Die Täter suchten nicht mehr nur nach Material wie Bildern oder Videos, sie versuchten auch stärker als zuvor direkt mit Kindern in Kontakt zu treten. Dabei nutzten sie aus, dass Mädchen wie Jungen während des Lockdowns länger als gewöhnlich im Internet seien und dabei häufig auch keine Aufsicht hätten. Konkrete Zahlen nannte sie allerdings nicht. Der starke Anstieg bereite ihr große Sorgen, sagte de Bolle und sprach von “einer anhaltenden Gefahr”.

Bereits im Sommer hatte Europol berichtet, dass es zu Beginn der Pandemie im März einen Anstieg von Fällen gegeben habe, in denen Videoaufnahmen von sexuellem Missbrauch gegen Kinder im Internet geteilt worden seien. Offenbar begünstige die Pandemie Kindesmissbrauch im Internet. Zugleich berichtete die internationale Polizeiorganisation Interpol im September, dass weniger häufig Kindemissbrauch gemeldet würde. Darauf hatten auch in den ersten Monaten der Pandemie der Kinderschutzbund und andere Organisationen verweisen. Denn als Schulen und Kindergärten geschlossen waren, seien Misshandlungen vielfach nicht aufgefallen und folglich auch nicht angezeigt worden.

Für Kinder und Jugendliche gibt es im Rhein-Main-Gebiet eine ganze Reihe von Anlaufstellen, sollten sie sich sexuell bedroht fühlen oder Opfer von Übergriffen geworden sein.

Hilfe gibt es hier

www.kinderschutzbund-frankfurt.de Kostenlose Servicenummer 0800-2010111

Jugendschutz Frankfurt www.jugendschutz-frankfurt.de

Kinderschutzbund Frankfurt

in Offenbach Halte.Punkt: www.profamilia.de

“Finger weg” 

in Hanau: www.lawine-ev.de

Mobbing im Internet ist inzwischen ein weit verbreitetes Phänomen. Das belegt die aktuelle Studie „Cyberlife III – Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern”, die das Bündnis gegen Cybermobbing in Kooperation mit der Techniker Krankenkasse (TK) erhoben hat. Nach den Daten der Forscher sind immer mehr Schülerinnen und Schüler davon betroffen. So sei die Zahl der Kinder und Jugendlichen zwischen 8 und 21 Jahren, die Opfer von Attacken im Internet wurden, innerhalb von drei Jahren um 36 Prozent gestiegen. Und die Opfer werten immer jünger.

Für die Studie hatte das Bündnis im Zeitraum von Februar bis November dieses Jahres mehr als 6000 Eltern, Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler befragt. Es war bereits die dritte Untersuchung mit dieser Zielrichtung nach 2013 und 2017.

Es wird gezielter und härter gemobbt

Ziel der Studie sei es gewesen, Veränderungen des Problems Cybermobbing und der Gewalt im Netz zu untersuchen, sagte Uwe Leest, Vorstandsvorsitzender des Bündnisses gegen Cybermobbing: “Es zeigt sich ganz deutlich, dass heute gezielter und härter gemobbt wird als noch vor drei Jahren.” Nach den Tatmotiven gefragt gab es häufig Antworten wie “weil es die Personen verdient haben” oder “weil ich Ärger mit der Person hatte”.

Zugleich ist Cybermobbing längst in Grundschulen eingekehrt, denn die Opfer würden deutlich jünger, wie Leest berichtete. Nach den Aussagen der Eltern sei bereits jeder zehnte Grundschüler einmal Opfer von Cybermobbing gewesen. In der Schülerbefragung gab in der Altersgruppe der 13- bis 17-Jährigen sogar jeder Vierte an, Cybermobbing erlebt zu haben.

Cybermobbing – Folgen für Körper und Seele

Diese öffentlichen Attacken hinterlassen teils gravierende Spuren. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK, verwies auf “massive Folgen für die körperliche und seelische Gesundheit”. Dazu gehörten Ängste, Schlafstörungen und Depressionen. “Gerade Kinder und Jugendliche sind emotional besonders verletzlich. Nicht selten leiden die Betroffenen noch jahrelang an den Spätfolgen”, sagte Baas.

Als besonders alarmierend werten die Wissenschaftler, wie Betroffene auf die Angriffe reagieren: Jeder Fünfte habe aus Verzweiflung schon mal zu Alkohol oder Tabletten gegriffen und fast jeder vierte Betroffene äußerte Suizidgedanken. Das entspricht einem Anstieg von 20 Prozent zu 2017, beim Alkohol- und Tablettenkonsum sind es 30 Prozent.

Corona verschärft die Situation

Baas und Leest sehen Cybermobbing als ein wachsendes Problem, für das Corona wie ein Verstärker wirke. Die Umstellung des Schulbetriebs auf Fernunterricht und Kontaktbeschränkungen in Folge der Pandemie hätten die Situation noch verschärft, weil junge Menschen das Internet intensiver nutzten und sich ihre sozialen Kontakte noch mehr dahin verlagert haben. “Die Zahlen zeigen uns auch, dass sich das gelernte ‚negative Verhalten‘ der Jugendlichen nicht verändert hat, weil es nicht sanktioniert wurde”, sagte Leest. “Die Täter kommen fast immer ungestraft davon. In vielen Fällen ist vor allem die Anonymität im Netz das Problem.” Details dazu sind in der Studie nachzulesen, die online über die Webseite der Techniker Krankenkasse sowie über die Seite des Bündnisses gegen  Cybermobbing zu finden ist.

TK-Chef Baas sieht sich unterdessen darin bestärkt, mehr Vorsorge zu betreiben. Um Mobbing und Cybermobbing gar nicht erst entstehen zu lassen, setze die TK auf Prävention. “Im Rahmen der Prävention unterstützen wir bereits seit Jahren viele Projekte zur Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Denn neben dem technischen Know-how, ist auch der Umgang miteinander im Netz entscheidend”, sagte Baas. Eines der Angebote zur Gewaltprävention ist das Antimobbing-Programm “Gemeinsam Klasse sein”. Die kostenlose Online-Plattform gibt Schulen reichlich Material für eine ganze Projektwoche zum Thema Mobbing/Cybermobbing.

Mehr Prävention gegen Cybermobbing

Konkrete Aufgaben hat das Bündnis gegen Cybermobbing aus der Studie abgeleitet: So müsse die bisherige Präventionsarbeit verstärkt werden und bereits an den Grundschulen beginnen. Dazu sei auch eine verbesserte Lehrerfortbildung ein wichtiger Baustein. Aber auch die Eltern nimmt das Bündnis in die Pflicht: Sie sollten sich intensiver mit den Inhalten und Funktionsweisen von Internet und Sozialen Medien auseinandersetzen. Zudem seien ein flächendeckendes Angebot an speziellen Beratungsstellen sowie anonyme Hotlines sehr wichtig.

Aber auch die Politik solle als Gesetzgeber ihrer Verantwortung nachkommen. Zum Schutz der Opfer fordert das Bündnis ein Cyber-Mobbinggesetz wie Österreich es bereits vor vier Jahren umgesetzt hat. Uwe Leest: “Täter und Opfer müssen wissen, dass Cybermobbing kein Kavaliersdelikt ist.”

kakü