Viele Kinder können nicht oder nicht gut genug schwimmen. Das ist gefährlich, denn Kinder ertrinken viel schneller als Erwachsene. Was Eltern tun können, um ihre Kleinen im Wasser zu schützen, erklärt Experte Andreas Kalbitz.

MainKind-Magazin: Ertrinken gehört zu den häufigsten tödlichen Unfällen im Kindesalter. Woran liegt das?

Andreas Kalbitz: Wasser hat eine hohe Anziehungskraft für Kinder. Sie lieben es, am und im Wasser zu spielen, zu planschen, zu baden und zu schwimmen. Diese schönen Beschäftigungen können für Kinder aber schnell zur lebensbedrohlichen Gefahr werden, wenn sie im Wasser in Not geraten. Kleine Kinder können bereits in wenige Zentimeter flachem Wasser ertrinken. Sie verlieren die Orientierung, sobald das Gesicht im Wasser ist und sind hilflos.

Was können Eltern tun, um ihre Kinder vor der Gefahr zu wappnen?

Grundsätzlich gilt: Kinder im und am Wasser nie aus den Augen lassen. Auch soll man Kindern nicht die Aufsicht über ein anderes, kleineres Kind übertragen: Sie sind noch nicht in der Lage, die Verantwortung für andere Kinder zu übernehmen und im Krisenfall richtig zu reagieren. Wenn Kinder dann das richtige Alter erreicht haben, gehört natürlich das Schwimmenlernen dazu.

In Grundschulen gehört es zum Alltag, dass Kinder das Schwimmen lernen. Ist das Ihrer Auffassung nach zu spät?

Wir raten, Kinder schon vor dem Schuleintritt das Schwimmen beizubringen. Kinder können ab etwa 5 Jahren das Schwimmen lernen. Sich auf die Schule zu verlassen, ist riskant: Was ist, wenn das Schwimmbad saniert werden muss, keine Fachlehrer/innen zur Verfügung stehen oder aufgrund des unterschiedlichen Klassenniveaus doch “nur” Wassergewöhnung statt Schwimmenlernen stattfindet?

Bei vielen Eltern ist Babyschwimmen angesagt. Kann darüber eine Vertrautheit mit dem nassen Element erwachsen?

Ja, Babyschwimmen ist eine fantastische Bewegungs- und Sinneserfahrung für Säuglinge. Aber auch hier ist Vorsicht angesagt. Die Vertrautheit kann dazu führen, dass das Kind den Respekt vor dem Wasser verliert und gleichzeitig die Eltern der Meinung sind, dass ihr Kind sich im oder mit Wasser sehr gut auskennt. Das wiederum kann dazu führen, dass die Eltern ihr Kind schlechter am Wasser beaufsichtigen.

Ab wann gilt ein Kind im Wasser als sicher?

Das Kind muss viel Erfahrung im Wasser sammeln. Das heißt, alle Bewegungen im Wasser wie Tauchen, Schwimmen, Springen üben, üben und nochmals üben. Wenn ein Kind sicher schwimmen kann, ist ein Meilenstein geschafft. Als Anhaltspunkt kann das Schwimmabzeichen in Bronze – natürlich noch besser das Abzeichen in Silber – herangezogen werden.

Was sollten Erwachsene beachten, wenn sie mit Kindern ans Wasser gehen?

Die Gefahr für Kinder im und am Wasser wird häufig unterschätzt. Deshalb ist es mir wichtig, dass Erwachsene wissen: Kinder ertrinken “leise”. Sie sinken unter Wasser “wie ein schwerer Stein” und unternehmen keine Selbstrettungsversuche zum Beispiel durch Schreie oder lautes Wasserschlagen. So kann es kommen, dass ein Kind unbemerkt untergeht, obwohl es von Menschen umgeben ist.  An offenen Gewässern müssen Erwachsene versuchen, vorausschauend Gefahrenstellen auszumachen und natürlich Badeverbote und Warn-Flaggen beachten!

Kinder lieben Wasserspielzeug. Einige Gerätschaften jedoch gelten als gefährlich. Was empfehlen sie an Wasserspielzeug und Schwimmlernhilfen?

Man muss grundsätzlich zwischen Wasserspielzeug und Schwimmhilfen unterscheiden. Spielzeuge wie Luftmatratzen, aufblasbare Schwimmtiere oder –reifen bringen Spaß im Wasser, bieten aber keinerlei Schutz vor dem Ertrinken. Schwimmhilfen, wie Schwimmflügel oder Schwimmnudeln unterstützen das Schwimmenlernen. Sie helfen, dass ein Kind nicht untergeht. Aber auch sie sind kein zuverlässiger Schutz vor einem Ertrinkungsunfall.

Das Interview führte Klaus Kühlewind

Andreas Kalbitz, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder e.V.

Ein Flyer zum Thema Schwimmen und Kinder hat die Bundesarbeitsgemeinschaft “Mehr Sicherheit für Kinder” erstellt. Tipps zum Spielen am Wasser haben dort ebenso ihren Platz wie allgemeine Regeln fürs Baden, Planschen und Schwimmen.

Sicher im und am Wasser

Einfache Regeln für den Aufenthalt im und am Wasser legen Fachleute Eltern wie Kindern ans Herz. Denn immer wieder ertrinken Kinder beim Schwimmen oder Spielen in Gewässern, auch wenn das Seepferdchen oder andere Abzeichen ihre Schwimmfähigkeit dokumentieren. Die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft und die Bundesarbeitsgemeinschaft “Mehr Sicherheit für Kinder” haben daher einige Tipps zusammengestellt, die dem Nachwuchs den Spaß im kühlen Nass unbeschwert machen sollen.

Sehr anschaulich und wie ein Comic kommen die Regeln in den Publikationen der DLRG daher. Ein Flyer mit einer gelben Quietsche-Ente als Leitfigur informiert auf vier Sprachen über das sichere Verhalten. Die zehn Regeln sind dort zu Papier gebracht in Deutsch, Englisch, Französisch und Arabisch. Darüber hinaus ist die Ente auch die Figur für anderer Länder Zungen. So kann auf der Webseite der DLRG das Faltblatt mit anschaulichen Szenen in vielen weiteren Sprachen von Afghanisch über Hindi, von Kurdisch bis Türkisch heruntergeladen werden. Zudem gibt es die Regeln auch als Piktogramme für alle, denen ein Bild mehr sagt als jedes gute Wort. Und wer es sich besser mit Musik merken kann – das Baderegellied gibt es als Download mit Text und Noten zum Mitsingen!

Kind lernt Schwimmen Bildquelle: DLRG

Welche Seen und Freibäder im Rhein-Main-Gebiet trotz Corona-Krise geöffnet haben, seht ihr in unserer Übersicht.