º Interview Herbert Reichl wurde 1963 in Salzburg geboren. Er studierte Psychologie und absolvierte die Ausbildung zum Baumeister. 2014 gründete er mit Dr. Harald Deinsberger-Deinsweger das Institut für Wohn- und Architekturpsychologie mit Sitz in Graz. Er ist verheiratet und hat eine Tochter. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Angewandte Wohn- und Architekturpsychologie, bedürfnisorientierte, familiengerechte Planung, die Begleitung von Menschen beim Hausbau und die Arbeitsraumoptimierung. Was empfehlen Sie jungen Familien, die in der glücklichen Lage sind, sich ein Haus oder auch eine Wohnung nach ihren eigenen Vorstellungen von Grund auf zu planen? Lassen Sie sich Zeit, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu ergründen und zu erforschen. Am besten machen beide Partner dies zunächst für sich allein und tauschen sich dann aus. Meine Kunden führe ich durch diesen Prozess mit Fragebögen und Übungen. Die persönlichen Wohnbedürfnisse sind wichtig, genauso wie die Bedürfnisse der Familie und natürlich die der Kinder. Solche Konzepte sollten doch sicher eine gewisse Flexibilität haben, schließlich wandeln sich Bedürfnisse und Wünsche mit dem Lebensalter? Es sollte versucht werden, viele Anpassungsmöglichkeiten in einer Wohnung zu ermöglichen. Wenn die individuellen Zimmer ungefähr gleich groß sind und mindestens 14 Quadratmeter haben, hat man bereits eine gewisse Spannbreite an Möglichkeiten. Bei einem Haus kann man weiter gehen, indem man eine Wohnungsteilung nach Auszug der Kinder ermöglicht. Dies verlangt natürlich einige Überlegungen wie zum Beispiel die Lage der Treppe. Für Familien in Mietswohnungen ist der Rahmen vorgegeben. Wie sollten beispielsweise Eltern mit zwei Kindern in einer Drei-Zimmer-Wohnung vorgehen, wenn sie diese optimal ausstatten möchten? Ich würde empfehlen, die Kinder in einem Zimmer schlafen zu lassen. Dies entspricht auch dem Bedürfnis von Kindern im Alter bis zu etwa zehn Jahren. Das Kinderzimmer sollte dann so gestaltet sein, dass jedes Kind eine eigene Zone besitzt. Das Bett kann mit Einbauten als Raum im Raum hergestellt werden. Somit entsteht beim Bett auch ein abgegrenzter, nischenartiger Bereich. Haben Farben und Wandbeläge wie Tapeten auch einen Einfluss darauf, wie wohl sich Kinder und Erwachsene in ihrem Zuhause fühlen? Jede Sinneswahrnehmung beeinflusst unser Wohlbefinden. Das meistens verwendete Weiß bietet keine positiven Reize. Farbe, wenn sie nicht zu bunt ist, ist fast immer eine Bereicherung. Also weg vom Weiß hin zu Farben ist meine allgemeine Empfehlung. Unterscheiden sollte man dabei in Farben, die beruhigen wie Blau oder Grün, und Farben, die aktivieren wie Rot oder Orange. Mit diesem Gedanken kann man bereits gute Akzente setzen. Gerade in großen Städte ist immer wieder die Rede davon, sich Grün in die Wohnung zu holen. Wie wirken Zimmerpflanzen auf Menschen? Pflanzen, so wie Natur ganz allgemein, beruhigen und aktivieren gleichzeitig. Sie helfen uns, Stress zu verarbeiten aber auch gleichzeitig effizienter zu werden. Es macht jedoch auch einen Unterschied welche Pflanzen. Man hat festgestellt, dass Bäume mit breit ausladender Krone eine stärker erholsame Wirkung haben als schlanke hoch aufragende Bäume. Eine breite Krone vermittelt Schutz und dies beruhigt. Nimmt man die Gestaltungsmittel Licht, Farbe und Pflanzen zusammen, können ein Zimmer, eine Wohnung oder auch ein Haus schnell überflutet sein mit Reizen? Natürliche Reize führen nie zu einer Reizüberflutung, nur technische Reize tun dies. Zu viele Pflanzen führen höchstens zu einem Beengungszustand, aber nie zu Reizüberflutung. Licht verwendet man in Wohnungen eigentlich nur in warmweißer Lichtfarbe, so dass es auch hier zu keiner Reizüberflutung kommen kann, und bei der Farbe muss man einfach aufpassen, dass es nicht zu bunt wird. Die meisten Menschen sind zurückhaltend, denn sie gehen davon aus, dass ein gut gestaltetes Zuhause teuer ist. Wie ist das auch mit wenig Geld zu schaffen? Die eigene Wohnung und vielleicht eine Erholungsnische selbst zu gestalten, wirkt auf zweifache Weise. Der Raum bekommt eine andere Ausstrahlung und wirkt positiv auf den Menschen. Die zweite Wirkung ist aber fast noch wichtiger, nämlich das selbst gestalten. Dinge, die man selbst macht, und dies mit Liebe und Achtsamkeit, wirken immer heilsam, auch wenn sie nicht perfekt sind. Dieses Selbst-Gestalten hat eine therapeutische Wirkung, die leider von vielen Therapeuten noch nicht erkannt wird. Dies ist einer der wichtigen Aspekte unseres Lehrgangs zur angewandten Wohn- und Architekturpsychologie. Wie wichtig ist es für Eltern und Kinder, die Entscheidung über Gestaltung und vielleicht auch Planung des Zuhauses gemeinsam zu treffen? Ganz wichtig. Dies stärkt die Beziehungen untereinander und das Selbstbewusstsein der Kinder. Kinder können schon sehr früh eigene Entscheidungen treffen, wenn man sie kindgemäß fragt und ihnen verschiedene Möglichkeiten aufzeigt. (kakü) www.iwap.eu www.planen-und-wohnen.at Das ausführliche Interview mit Herbert Reichl auf www.mainkind-magazin.de Perfekt ausgestattet | 5
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