Gaming statt Fußball, Chatten statt Treffen am Bolzplatz: Corona hat Kinder und Jugendliche vor Tablets und Handys verbannt. Experten sehen jetzt die Gefahr, dass viele jungen Leute eine krankhafte Sucht entwickeln könnten.

Kinder und Jugendlichen hängen wegen Corona deutlich länger und öfter an Handy, Konsole oder Computer zum Spielen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die Krankenkasse DAK mit Suchtexperten des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf (UKE) erstellt hat. Das erste Zwischenergebnis ist erschreckend: Bei fast 700 000 Kindern und Jugendlichen stufen die Experten das Gaming als riskant oder pathologisch, also krankhaft, ein.

Deutlich zugenommen hat während des Lockdowns die Zeit, die Kinder und Jugendliche mit Spielen am Schirm verbringen. Im Vergleich zum September 2019 stieg im vergangenen Mai die Spieldauer in der Woche um 75 Prozent an.  Werktags nutzten die jungen Menschen Tablets, Smartphones oder Notebooks 139 Minuten im Durchschnitt, zuvor waren es 79 Minuten. Für die Wochenenden stellten die Wissenschaftler einen Anstieg um fast 30 Prozent auf 193 Minuten am Tag fest, deutlich mehr als drei Stunden.

Corona und seine Folgen

“Die Nutzungszeiten der Kinder und Jugendlichen haben die größte Vorhersagekraft für ein problematisches und pathologisches Verhalten”, sagt Professor Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter am Deutschen Zentrum für Suchtfragen. Ob die Mediensucht als Folge der Schulschließungen und eingeschränkten Freizeitaktivitäten tatsächlich zunahm, soll bei einer abschließenden Befragung der teilnehmenden Familien im Frühjahr 2021 herausgefunden werden. Für die aktuelle Studie waren 1200 Familien mit Kindern im Alter zwischen zehn und 17 Jahren befragt worden.

Daniela Ludwig, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, nannte angesichts der Ergebnisse der Studie einen gesunden Umgang mit digitalen Medien wichtig und erlernbar. “Wir müssen Familien Unterstützung im Hinblick auf klare Regeln für die altersgerechte Nutzung anbieten.”

Risiko-Gamer früher erkennen

“Unsere Studie zeigt, dass wir dringend ein verlässliches und umfassendes Frühwarnsystem gegen Mediensucht brauchen”, sagte DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Es dürfe nicht länger Zufall sein, Risiko-Gamer zu erkennen und ihnen Hilfsangebote zu machen. Storm verwies auf ein Pilotprojekt seiner Krankenkasse, in dem es mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in fünf Bundesländern ein neues Mediensuchtscreening angeboten werde.

Dass die Corona-Pandemie Auswirkungen auf Kinder hat, ist unbestritten. Welche, das wird in vielen verschiedenen Studien gerade noch untersucht. Körperliche Auswirkungen, seelische Auswirkungen, Folgen für die schulische Entwicklung, für soziale Beziehungen und den sozialen Status sind Gegenstände der Forschung, die gerade noch am Anfang steht.

kakü

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