Der Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz von Dienstag lässt die bangen Kommentare vieler Eltern nicht verebben. Denn im Widerspruch der Empfehlungen von Gesundheitsministerkonferenz, Ständiger Impfkommission (Stiko) und Sächsischer Impfkommission (SIKO) sowie zahlreicher Fachleute müssen sie mit ihren Kindern entscheiden, ob den Jungen und Mädchen Injektionen mit einem Corona-Impfstoff gegeben werden soll. Während die Stiko diesbezüglich noch zögert und weitere Daten auswerten möchte, um Risiken auszuschließen, hatte die Impfkommission des Freistaates Sachsen, die einzige eines deutschen Bundeslandes, bereits am 1. August eine entsprechende Empfehlung abgegeben. Am Montag dann beschloss dann die Bundesgesundheitsministerkonferenz, Kindern von 12 Jahren an und Jugendlichen die Impfung anzubieten.
Die Sächsische Impfkommission beruft ihre generelle Impfempfehlung für junge Menschen zwischen 12 und 15 Jahren auf Daten aus den USA und Israel. „Hier überwiegt der Nutzen eindeutig das Risiko adverser Reaktionen“, heißt es in der Empfehlung. Ein besonderes Augenmerk sei gelegt worden auf das Auftreten von Herzmuskelentzündungen. Mit einer solchen Erkrankung sei bei männlichen Impflingen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren mit einer Häufigkeit von bis zu 70 pro einer Million vollständig Geimpfter zu rechnen. „Gleichzeitig werden in dieser Altersgruppe zwei Todesfälle und 71 Intensivbehandlungen aufgrund von COVID-19 sowie 5700 SARS-CoV-2-Infektionen verhindert.“ Bei heranwachsenden Frauen seien die Zahlen in einem ähnlichen Verhältnis, aber deutlich geringer: 10 Herzmuskelentzündungen bei eine Million vollständig Geimpfter bei Verhinderung eines Todesfalls und von 38 Intensivbehandlungen aufgrund von COVID-19 sowie 8500 SARS-CoV-2-Infektionen. In diese Zahlen nicht enthalten seien Folgeerkrankungen wie Long-Covid sowie die Entzündungserkrankung MIS-C. „Bei einem dokumentierten milden Verlauf der (Peri)myokarditiden, was sowohl aus den US-amerikanischen als auch den israelischen Daten hervorgeht, stellt sich hier dann ein klares Überwiegen des Nutzens der Impfung dar“, schlussfolgern die Wissenschaftlerinnen der SIKO.
Eine Empfehlung, der sich die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) nun anschloss. In dem Beschluss von Montag heißt es, dass alle Bundesländer 12- bis 17-Jährigen ein niedrigschwelliges Impfangebot machen wollen – auch in Impfzentren. Erforderlich seien die ärztliche Aufklärung und die Zustimmung der Sorgeberechtigten. Kinder könnten zudem geimpft werden bei ihren Kinder-, Jugend- und Hausärzten sowie bei Aktionen der Betriebsärzte der Eltern. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, zugleich Vorsitzender der GMK , nannte das Impfangebot für Kinder einen „Baustein, um einen sichereren Start in den Lehr- und Lernbetrieb nach den Sommerferien zu ermöglichen“. Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sei „genügend Impfstoff für alle Altersgruppen“ vorhanden.
In den ARD-Tagesthemen sagte Holetschek in einem Interview mit Ingo Zamperoni,
https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-898735.html
dass er keinen Widerspruch sehe in dem Beschluss der Gesundheitsminister und dem Abwarten der Stiko. Im gleichen Sender hatte sich zuvor Thomas Grünewald, Vorsitzender der SIKO, im Morgenmagazin dazu geäußert, dass seine Kommission die Daten zügiger bewertet und eine Impfempfehlung abgab. Darin befinde sie sich in guter Gesellschaft mit dem Impfkommissionen anderer Länder wie der Schweiz, Italien, Frankreich oder den USA, wo es die Empfehlung ebenfalls gebe.
In diese Runde dürfte sich wohl auch bald die Stiko einreihen. Dem Spiegel sagte deren Vorsitzender Thomas Mertens, dass sich das Gremium bald erneut zu Impfungen für Jugendliche äußern werde. Er nannte dafür einen Zeitraum von zehn Tagen. Bisher empfiehlt die STIKO Impfungen für Menschen ab zwölf Jahren nur bei bestimmten Vorerkrankungen. Zum Beschluss der Gesundheitsminister sieht Mertens darin keinen Gegensatz: „Das ist eine politische Entscheidung, es ist die Freiheit der Politik so etwas im Sinne der allgemeinen Gesundheitsvorsorge anzubieten.“
kakü